Service Design

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Fragen an GreenCampus-Trainerin Juliane Amlacher

„Service Design“ bezeichnet, so Wikipedia, den Gestaltungsprozess von Dienstleistungen. Was hat das mit der Politik und politischer Arbeit zu tun?

Viel mehr als man denkt. Auch die Politik steht im „Dienst“ der Bürger*innen und sollte diesen bestmöglich und im Sinne der Wähler*innen umsetzen. Nur wenn die Akteure der Politik verstehen, was die Bürger*innen wirklich brauchen – von Services im öffentlichen Bereich bis hin zu grundlegenden Bedürfnissen der Gesellschaft, können sie diese Bedürfnisse auch in konkrete und bürgernahe Politik umsetzen. Daher ist es aus meiner Sicht essenziell, dass die Zielgruppe der Bürger*innen bzw. Wähler*innen aktiv einbezogen wird in Gestaltungsprozesse der Politik. Also weniger vorgeben, im Sinne der Bürger*innen zu handeln und stattdessen wieder mehr echte Glaubwürdigkeit.

An welchen Stellen/Prozessen in politischen Organisationen siehst du den besonderen Mehrwert von Service Design?

Politische Organisationen treten mit klaren Positionen und Haltungen nach außen, mit denen sie die Bürger*innen überzeugen wollen. Sie setzen sich für eine Zielgruppe ein und wollen deren Interessen erfolgreich vertreten. Umso wichtiger ist es, genau zu erkunden, welche Bedürfnisse und Wünsche diese Zielgruppe genau hat und wie die Organisation sie am besten erreicht. Hier kommt Service Design ideal zum Tragen, da es in einer sogenannten Kundenreise bestehende und fehlende Kontaktpunkte zwischen Organisation und „Kund*in“ definiert, bewertet und daraus Gestaltungsherausforderungen formuliert. Der Perspektivwechsel bezieht das Kund*innenwissen aktiv in die Gestaltung von Angeboten ein. In fachlich gemischten Teams werden dann zielgruppengenaue Ideen entwickelt, die bereits in Prototypen getestet werden. So entstehen auf ressourcenschonende, zeitsparende und wertschöpfende Art und Weise neue bzw. veränderte Angebote, die die Bürger*innen überzeugen und die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Gibt es ein interessantes Beispiel für den gelungenen Einsatz von Service-Design-Methoden im politischen Bereich?

Die Regierung Großbritanniens hat ein tolles Service Design Handbuch entwickelt für alle digitalen Services der Regierung (also die Behördendienste). Bürger*innen waren aufgerufen, diese Services gemeinsam mitzugestalten und so zu entwickeln, dass sie zielgruppenorientiert und nutzerfreundlich sind. Ein zweites Beispiel aus dem sozialen Sektor ist die Entwicklung des Gulliver Überlebenszentrums für Obdachlose vom Kölner Arbeitslosenzentrum. Dort hat ein multidisziplinäres Team gemeinsam „Stationen“ entwickelt, um Obdachlosen auf kleinem Raum insbesondere zu Randtageszeiten Hilfen des täglichen Lebens anzubieten. Ein weiteres schönes Beispiel kommt aus dem österreichischen Parlament: Dort wurde ein Service-Design-Prozess gemeinsam mit Besucher*innen durchlaufen, um die Neugestaltung des Besucherzentrums inklusive der Führungen an den Feedbacks und Ideen auszurichten.

Nachdem ich an einem Workshop mit dir teilgenommen habe: Was hat sich für mich geändert? Was sehe ich neu oder anders? Was habe ich gelernt?

Das entscheidende Learning ist das „Out of the box“-Denken und die Kraft des gemeinsamen kreativen Prozesses. Der schnelle Rollenwechsel in die Zielgruppe – in die Sichtweise der Kund*in – ist nach dem Workshop viel präsenter und ermöglicht neue Blickwinkel. Der zentrale Effekt dieser neuen Herangehensweise ist die Entwicklung eines, in der Regel unterbewerteten, Verständnisses der tatsächlichen Bedürfnisse und Wünsche. Man behauptet nicht mehr nur, die Zielgruppe zu kennen, man kennt sie. Damit bietet Service Design die Grundlage für neue Ideen und Herangehensweisen.

 

Juliane Amlacher ist Politik- und Organisationsberaterin sowie ausgebildete systemische Coach (FU Berlin) und Service Designerin (FH Köln) mit einschlägigen Erfahrungen im Politik- und Verbandsmanagement. Die studierte Diplom-Biologin war mehrere Jahre für Abgeordnete der Grünen im Bundestag tätig und führte als Geschäftsführerin eine große medizinische Fachgesellschaft durch einen Strategie- und Veränderungsprozess im Bereich Lobbying, Wissenschaftsmanagement und PR in Berlin.